Ein Vortrag über die Magie des Baumes zu den Bildern von Sigrun Graffmann

Magie des Baumes

Der Baum in Mythen, Legenden und in der Kunst

Auszug aus einem Vortrag von Heinz-D. Graffmann zur Eröffnung der Ausstellung
„Magie des Baumes“ am 05.06.2002 in den Räumen von Barramuindi, Forum für Gesundheit und Medizin in Düsseldorf auf der Münsterstrasse.

Mich hat die Frage beschäftigt, woher kommt diese Faszination, diese fast magische Anziehung, die Bäume auf Menschen ausüben. Ich habe mich viele Stunden auf die Suche gemacht – im Internet, dem Wissenspool unserer Zeit – und ich glaube, das einiges davon so interessant ist, dass ich es mit Ihnen teilen möchte.

Das Baumkreuz - Bild 1

Die Symbolik, die sich im weitesten Sinn mit „Bäumen“ verbindet, war und ist in allen Kulturen ungeheuer vielfältig: In dieser Darstellung des „Baumkreuzes“ sind die wesentlichen Facetten angesprochen. Der Baum begleitet den Menschen quasi von der Wiege (Lebensbaum) bis zur Bahre (Totenbaum). Der Baum ist weiter auch ein Symbol für die Zeit und das Wachstum (Jahresbaum) ; das gilt auch übertragen für das menschliche Geschlecht in der Symbolik des Stammbaumes

Der Stammbaum - Bild 2


Der Weltenbaum

Die Symbolkraft des Baumes geht aber noch weiter: als „Weltenbaum“ ist er in vielen Kulturen in der Erklärung der Weltsicht verankert.
(= Der Baum als Welt-Zentrum) . Ich möchte hier nur einige davon vorstellen:

Yggdrasil - Bild 3


Weltenbaum der Mayas
Weit entfernt vom Norden Europas finden wir in den Mythen des südamerikanischen Maya Volkes eine erstaunliche Entsprechung:

...der Mayas - Bild 4


Der Baum in der Schöpfungsgeschichte.
Wir finden  den Baum als Ur-Mythos auch in vielen anderen Schöpfungsgeschichten.
Im Indo-Germanischen Raum wird die Welt aus dem Nichts, aus dem Dunkel in sieben Tagen erschaffen, so wie wir es auch aus der Genesis her kennen. Aus der grossen Leere erhebt sich Nêkwt, die Göttin der Dunkelheit in Rabengestalt – aber sie findet keinen Platz, auf dem sie sich niederlassen kann.
Deshalb legt sie am zweiten Tag ein Ei, das zerbricht und aus dem unteren Teil wird  Népôt, das Meer der Unterwelt, aus dem oberen Teil der Schale wächst  Dóru, ein riesiger Baum, der das Wasser vom Himmel trennt, und auf dessen Zweigen sich der Rabe dann niederlassen kann.

In den Schöpfungsmythen auf der Südseeinsel Samoa  schickt der Schöpfunsgott Nareau vier Jungfrauen in alle Himmelsrichtungen und dort angekommen, werden ihre wurzeln ihre Füsse im Boden, werden zu Bäumen, die den Himmel tragen.

Bei den Maidu Indianern in Kalifornien  ist es der Schöpfungsgott A’noshma, in Gestalt einer Schildkröte, die den Lebensbaum Hu'kimsta  genannt pflanzt, der die Grundlage für das Leben auf der Erde bildet. (Quelle: Roland B. Dixon)

Die Aufzählung  der Schöpfungsgeschichten, in denen der Baum eine entscheidende Rolle spielt liesse sich sicher noch verlängern!
Was könnte der Grund sein für solche Parallelen?
Ich vermute, dass es die überragende Rolle des Baumes ist, die er  für die Überlebenschance des Menschen auf dieser Welt spielt. Ich will an dieser Stelle nicht auf die Bedeutung eingehen, welche die Bäume für das Gleichgewicht der Natur spielen. Ich will nur versuchen, nachzuvollziehen, wie die Menschen in Urzeiten den Baum empfunden haben müssen.
Bäume bildeten früher noch mehr als heute  die Lebensgrundlage für den Menschen, sie spenden Nahrung, Schutz, Material. Und sie sind gut, will sagen, nicht potenziell zerstörerisch, wie es Wasser und Feuer sein können. Der Mensch spürte instinktiv, dass der Baum sein Freund ist, ohne den er nicht überleben kann.


Der Baum in den Religionsmythen
So verwundert es dann auch nicht, den Baum in Begleitung des religiösen Lebenslaufes der Menschen wiederzufinden. Bäume sind Heiligtümer. Die Bäume reden mit uns, sagen die Indianer. Der deutsche Dichter Hermann Hesse schrieb schon lange bevor indianische Weisheiten bei uns bekannt wurden den Wald als Ort von Wissen und Weisheit.

Der Wald als Ort von Wissen und Weisheit - Bild 5

Wälder waren bei den Römern, Griechen und allen Indo-Germanen die ursprünglichen Kultstätten. In Indien hatte jeder Stamm, bzw. jedes Dorf seinen heiligen Baum, eine uralte Sitte, an der auch Hinduismus und Buddhismus nichts änderten, im Gegenteil. Die drei hinduistischen Gottheiten des schöpferischen Prozesses (Brahma – Erschaffer, Vischnu – Erhalter, Shiva – Zerstörer) werden als die drei Hauptstämme des Weltenbaumes dargestellt. Im Buddhismus wurde der Pippala (Ficus Religiosa) zum Baum der Erleuchtung.

Hinduistischer Baum - Bild 6

Auch in Japan waren die frühen Tempel der dortigen Urreligion (Shintoismus) Bäume.

Heiliger Baum in Japan - Bild 7

Im Laufe der Zeit wurden den Bäumen Altäre beigefügt, nicht umgekehrt.
Unter den Stämmen des vorchristlichen Europa war das nicht anders.

Baum der Druiden - Bild 8

Auch im alt-irischen Alphabet tragen die Buchstaben Baumnamen. In keltischen wie auch in den germanischen Sprachen sind die Begriffe für Lernen, Wissen, Weisheit eng verwandt mit denen für Wald und Baum (man denke nur an Buche, Buch und Buchstabe). Die Druiden waren schon dem Namen nach “Baumwissende, Waldwissende”. (Quelle: Fred Hageneder: www.spirit-of-trees.de)

Der Baum der Entscheidung
Vielfach steht der Baum in den Mythen auch für die Entscheidung des Menschen für die eine oder andere Richtung, Friede oder Krieg, Unschuld oder Wissen, Gut oder Böse. So wie sich an einer Astgabel immer wieder neue Alternativen auftuen.

Der Weltenbaum der Afrikanischen Buschmänner

Buschmänner - Bild 9

Der Baum der Erkenntnis

Bild 10

Das erinnert uns auch schon etwas an die biblische Geschichte des Sündenfalls. Tatsächlich vermuten einige Wissenschaftler die Ursprünge dieses Mythos in Afrika (Quelle: John G. Jackson, Pagan  Origin of Christ Myths, www.nbufront.org/html. Masters museum. Bei den Sumerern ist die Geschichte etwas vollständiger als in der Bibel.
Die Sumerer wussten, dass die Frauen wirklich nicht an allem Übel schuld sind! Die Schlange jedoch war unsterblich – wie viele aufgrund der Häutung des Tieres glaubten.

Der Baum in der Kunst.
Die tiefe Verwurzelung  (Hic !) des Baumes im kollektiven Bewusstsein der Menschheit zeigt sich selbstverständlich auch in der Kunst. Der Baum als solcher findet jedoch erst relativ spät als Motiv Eingang in die Malerei. In der vor-geschichtlichen Zeit hat das Bild eine magische Bedeutung.

Hoehlenmalerei - Bild 11

Beutetiere wurden gemalt, um das Jagdglück zu beschwören. Im Altertum überwiegt die Darstellung des Menschen und vor allem der Erzählung von Geschichten zum Rume der Herrscher.

Gotik - Bild 12

Im frühen Mittelalter (Romanik, Gothik) ist es überwiegend die Darstellung religiöser Themen, welche die Malerei beherrscht. Wenn Natur vorkommt, dann meist nur als  Symbol, religiöse „Motivik“  Werke aus dieser Zeit manifestieren sich hauptsächlich in Altären und in Buchmalereien, Messbüchern wie Evangelientexten.

Religiöse Naturdarstellung in der Renaissance - Bild 13

Die Malerei der Renaissance ist ebenso überwiegend noch  beherrscht von der christlichen Thematik. Baum und Natur sind dabei sozusagen nur Staffage für das eigentliche Thema des Malers, die Beschreibung biblischer Themen. Lukas Cranach der Ältere (1472-1533) und Albrecht Dürer (1471-1528) als zwei hervorragende Vertreter dieser Epoche sollen als Beispiel für diese Art der Naturdarstellung dienen

Maler dieser Zeit haben aber erstmalig den Rahmen der religiös motivierten Kunst gesprengt. So hat Albrecht Dürer zahlreiche Aquarelle von Motiven gemalt, die ihm in seiner Heimatstadt Nürnberg und auf seinen zahlreichen Wanderungen begegneten. Zwei dieser Bilder sind besonders bemerkenswert: Der „Weiher im Walde“ (1496) mit seinem nur teilweise ausgemalten Hintergrund wirk etwas fragmentarisch und vielleicht dadurch ungeheuer modern. Bei dem  Bild „Das grosse Rasenstück“ hat Dürer die Kühnheit besessen, unscheinbare Pflanzen, Löwenzahn, Wegerich und Gräser zum Gegenstand seiner Kunst zu machen, was im Jahre 1503 ein absolutes Novum der Kunstgeschichte darstellte.  Das dritte Beispiel stammt von Albrecht Altdorfer aus Regensburg, einem Hauptvertreter der  sogenannten Donau-Schule, die der Natur eine autonome, eigenständige Rolle in der Kunst einräumte.

Realistische Narurdarstellung in der Renaissance- Bild 14

Während Dürer die Natur noch „abmalt“, geht die Malerei im 17. und 18. Jh., in der Romantik von der Beschreibung zur Interpretation über. (Der aufmerksame Zuhörer bzw. Leser wird bemerken, dass ich die Periode des Barock und Rokoko ausgelassen habe – aus dem Grunde, da in dieser Zeit zwar die Anlage von Schlössern, Gärten und Parks eine Blütezeit hatte, nicht jedoch die Landschaftsmalerei!) In der Romantik wird die Natur zum Medium. Das Bild wird zu einer subjektiv-reflektierende Kunst, die als Vermittler zwischen Mensch und Natur fungieren soll. Die Natur wird nicht einfach abgebildet, sondern zur Idealgestaltung überhöht. Wir sehen dieses Prinzip besonders deutlich bei den zwei hervorragenden Vertretern der Romantik in England, bei William Turner und bei John Constable

Romantik - Bild 15

Einer der herausragendsten Romantiker in Deutschland ist Kaspar David Friedrich. Von ihm stammt das folgende Zitat: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke oder gar Tote erwartet“. Das ist der Kern romantischer Kunstanschauung. In Landschaftsbildern, wie wir sie hier sehen,   reflektiert die Außenlandschaft die Innenlandschaft und umgekehrt.

Deutsche Romantik - Bild 16

Die Natur wird zum Ausdruck des menschlichen Innern. Nichts desto weniger sind sie noch nah an der realistischen Darstellung der Natur. In der späteren Schaffensphase von Turner, aber auch der deutschen Landschaftsmalerei, der Düsseldorfer Schule (bei Achenbach)    finden wir Bilder, die bereits in die nächste Phase überleiten: den Impressionismus

Impressionisten - Bild 17

Die Impressionisten interessieren sich nicht mehr für Naturnähe. Wer Natur exakt wiedergeben will, kann fotografieren! Form , Stil und besonders die Farbe sind nur noch Mittel, Stimmungen und Empfindungen auszudrücken; die Darstellung der Natur drückt Ruhe und Frieden aus wie bei Monnet, ist geheimnisvoll wie bei Cesanne oder wird explosiv und gefährlich wie in manchen Bildern von Van Gogh.  Im 20.Jh.  lässt sich keine einheitliche Tendenz der Naturdarstellung der Bäume, des Waldes mehr herausarbeiten. Impressionistische Tendenzen werden fortgeführt, so wie bei Rousseau oder Schiele, oder löst sich auf in pure Farbimpressionen, wie bei Paul Klee

Wer allerdings glaubt, dass Künstler das Interesse an der Natur oder an Bäumen verloren hätten, der irrt sich; nach wie vor sind Bäume eines der bevorzugten Motive, wobei alle Aspekte der Kunstgeschichte -Symbolik, Mythen, Realismus, und subjektive Stimmungen- immer wieder und in Verflechtungen auftauchen. Neu ist jedoch, dass sich Künstler ab den 60er Jahren verstärkt den konkreten Themen des Schutzes der Wälder annehmen. Allen voran ein Österreichischer Künstler, der sich Friedensreich Hundertwasser nennt.

Hundertwasser - Bild 18

In ganzheitlicher Auffassung setzt er sich für eine Einbeziehung von Bäumen und Pflanzen in unseren städtischen Raum ein, in die Einbeziehung von Bäumen in die Architektur. Die Begrünung der Häuser ist ihm ein Anliegen. Das Hunderwasser-Haus in Wien setzt ein Zeichen (oben Bild 18). „Nur wenn Du den Baum liebst, wie Dich selbst, wirst Du überleben“ war seine Botschaft. Er ist zusammen mit Christo, Roy Lichtenstein, Tomi Ungerer ein Initiator des Künstler Netzwerkes „ AUN“ (United Artists for Nature), die ökologische Projekte mit Aktionen und Events unterstützen. Auch HA Schult und Beuys haben sich praktisch für den Umweltschutz engagiert. Es gibt etliche Projekte in denen sich Künstler in den Prozess der  Landschaftsgestaltung einbinden wollen [Quelle: Art d´Eco. Kunst als Medium der Umweltbildung. Hrsg. Andreas Pallenberg. Bonn: Wissenschaftsladen 1997, S. 16-31]
im Braunkohlen-Revier in Cottbus, im Emscherpark, in der Niederlausitz, oder auch jetzt hier am Rhein bei Düsseldorf. Und möglicherweise nicht von ungefähr war es wieder ein Künstler, der dabei an vorderster Front stand: Benjamin Bagiro.
Künstler haben eben eine Antenne für das Transzendentale, für das im kollektiven Gedächtnis der Menschen gespeicherte Wissen. Daher kommt wahrscheinlich auch bei ihnen ein gesteigertes Gewissen dem Baum und der Umwelt gegenüber zustande. Ich bin sicher dass die Bilder meiner Frau in dieser Ausstellung auch Sie etwas von der Faszination des Baumes spüren lassen werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Heinz-D. Graffmann

Düsseldorf, im Juni 2002
Magie des Baumes

 Barramuindi

Blumrenkübel
Ein Nachmittag in
 meinem Garten

Bilder zur Ausstellung "Magie des Baumes" am 05.06.2002 in den Räumen von Barramuindi

Kopfweide
Kopfweide in
Kaiserswerth